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Der Vater Heinrich VIII

 

 

 

Elisabeths Vater, Heinrich VIII., war in erster Ehe mit Katharina von Aragon, der Witwe seines jung verstorbenen Bruders Arthur, verheira­tet. Von ihr hatte er eine Tochter, Maria, die nach siebenjähriger Ehe 1516 geboren wurde. Zehn oder elf Jahre später faßte der König eine heftige Zuneigung zu einer jungen Hofdame, Anna Boleyn. Sie stammte von ihrer Mutter her aus dem englischen Hochadel, hatte mehrere Jahre als Edelfräulein am französischen Hof verbracht und viel von französi­schen Sitten und Manieren angenommen. Sie war schlank, nicht sehr groß, brünett und von lebhafter Anmut. Die Komplimente des Königs schmeichelten ihrer Gefallsucht, aber seinen Werbungen setzte sie eine kluge Bestimmtheit entgegen: sie wollte mehr sein als nur seine Geliebte. So zog sie sich vom Hofe zurück. Heinrich schrieb ihr überschwengliche Liebesbriefe, in denen er sich «treu und unverbrüchlich mit Herz, Leib und Gemüt» der ihre nannte.

 

 

Heinrich war damals 35 Jahre alt, seine Gemahlin Katharina 41. Sie hatte vier Kinder tot zur Welt gebracht, ein fünftes war kurz nach der Geburt gestorben. Von ihr, die frühzeitig gealtert war, konnte der König kein Kind mehr erwarten. Aber ihn beherrschte der Wunsch, einen Sohn als Thronfolger zu haben. Wenn auch in England das Salische Gesetz, das Frauen von der Erbfolge ausschließt, nicht galt, so war man zu seiner Zeit doch allgemein davon überzeugt, daß eine Frau auf dem Thron ein Un­glück sei. Entweder würde sie einen Einheimischen heiraten und damit die Eifersucht der anderen Großen des Landes hervorrufen oder sich mit einem ausländischen Fürsten verbinden und dadurch Englands Unabhän­gigkeit gefährden.

In den nächsten Jahren nahmen Heinrichs Gedanken an eine Schei­dung von Katharina und eine Vermählung mit Anna Boleyn immer ent­schlossenere Formen an. Der Papst widersetzte sich seinem Scheidungs­begehren, zumal Katharina die Tante Kaiser Karls V. war. Der Prozeß zog sich jahrelang hin und führte schließlich zur Gründung der anglikani­schen Kirche und zur Trennung von Rom. Am 25. Januar 1533 ließ sich der König heimlich mit Anna, die sich schwanger fühlte, trauen, und im Mai erklärte der Erzbischof von Canterbury, Cranmer, die Ehe mit Ka­tharina für ungültig, weil blutschänderisch, da diese zuvor mit seinem Bruder verheiratet gewesen war, und erkannte die Rechtmäßigkeit der Ehe mit Anna Boleyn an.

 

Am 7. September 1533 wurde Anna im Lustschloß zu Greenwich zur maßlosen Enttäuschung des Königs von einem Mädchen entbunden. An dem feierlichen Gottesdienst zur Taufe seiner Tochter, die nach seiner Mutter Elisabeth genannt wurde, nahm er nicht teil. In Spanien und im Reich sprach man von ihr, die eine der großen Herrscherinnen der Ge­schichte werden sollte, nur als von dem «Hurenbastard».

Das Kind wurde seiner Mutter bald weggenommen und aus der unge­sunden Luft Londons in den Palast von Hatfield gebracht. Dort und in

den benachbarten Landhäusern von Hertfordshire verlebte Elisabeth den größten Teil ihrer ersten zehn Jahre. Sie war ein lebhaftes Geschöpf mit rotblonden Haaren, braunen Augen und sehr weißer Haut. Früh zeigte sie sich lernbegierig und nicht selten eigensinnig.

Der Einfluß ihrer Mutter auf den König, der es eines Mädchens wegen schwerlich zum Bruch mit Rom hätte kommen lassen, hatte sehr abge­nommen und schwand, nachdem sie zwei Fehlgeburten erlitten, vollends dahin. Sie wurde launisch, eifersüchtig und anmaßend. Als eines Tages die Tochter Katharinas, die jetzt siebzehnjährige Maria, der man ihren Titel als Prinzessin von Wales aberkannt hatte, auf Befehl des Königs bei der kleinen Elisabeth als Ehrendame antreten sollte und sich dagegen sträubte, verlangte Anna, daß man den «verfluchten Bastard ohrfeigen» solle. Mit alldem bewirkte sie, daß Heinrich, der sich inzwischen der de mütig-zärtlichen Hofdame Jane Seymour zugewandt hatte, darauf sann sich ihrer zu entledigen.

Im Mai 1536 wurde sie in den Tower gebracht und in einem schmutzigen Prozeß des Ehebruchs mit fünf Männern, darunter ihr Bruder, angeklagt und schuldig gesprochen. Am 19. Mai wurde sie hingerichtet. Unter gelendem Lachen soll sie zu dem Henker, der sie enthauptete, gesagt haben, indem sie ihren Hals mit beiden Händen umspannte: «Es wird Euch nicht schwerfallen, denn er ist schmal, sehr schmal.»

 

 

Am nächsten Tag heiratete der König Jane Seymour. Wie Elisabeth auf den Tod ihrer Mutter, dessen Umstände zunächst vor ihr geheimgehalten wurden, reagiert und ob sie ihn überhaupt recht begriffen hat, wissen wir nicht. Erinnerungen an sie wird sie kaum gehabt haben. Außerdem war eine Hinrichtung damals nichts Besonderes. «Das Schafott war eine Staatseinrichtung, der die großen Familien jener Zeit eine nach der ande­ren ihren Tribut zahlten.»3 Ihren Vater, dessen kraftvolle Majestät ihr imponierte, bewunderte sie, und er fand Gefallen an dem hübschen, ge­sunden Kind. Bei einem Fest führte er seine kleine Tochter in die Kapelle und nach dem Essen nahm er sie auf den Arm und zeigte sie stolz den Höflingen.

1537 erfüllte sich endlich der Wunsch des Königs nach einem männli­chen Thronerben. Seine dritte Gemahlin Jane kam am 12. Oktober mit einem Sohn nieder. Mit Freudenfeuern und rauschenden Festen feierte dies Bevölkerung das für England bedeutsame Ereignis. Eine Woche später ­starb Jane Seymour.

Bei der Taufe von Prinz Eduard in Hampton Court trat Elisabeth zum erstenmal öffentlich auf. Sie trug das Kleid des Täuflings und wurde selbst ‘on zwei Lords getragen. Wie schon zuvor ihre Halbschwester Maria wurde ­auch sie jetzt für illegitim erklärt. Als ihr Hofmeister Elisabeth den Beschluß mitteilte, sah die Vierjährige ihn aufmerksam an und fragte dann: «Wie kommt es, Hofmeister— gestern my Lady Princess und heute nur noch Lady Elizabeth?»4 (Elisabeth wurde aber um das vorwegzunehmen zusammen mit Maria durch Parlamentsbeschluß von 1544 wieder in die Thronfolge eingereiht.) An den Hof kam sie zu dieser Zeit nur selten, gelegentlich wurde sie in Sänfte nach Richmond oder Hampton Court gebracht. So blieb sie

dem fatalen Ausgang der nächsten Ehcn ihres Vaters unberührt. Heinrichs Verbindung mit Anna von Kleve, mit der er sich 1540 trauen ließ, wurde schon im folgenden Jahr annulliert, und die nächste Königin, Katharina Howard, eine Kusine von Anna Boleyn, wurde 1542 wegen angeblichen Ehebruchs hingerichtet.

 

 

 

Im Sommer 1543 schloß Heinrich seine sechste und letzte Ehe mit Ka­tharina Prarr, einer ausnehmend gebildeten Witwe von 30 Jahren. Sie hol­te ihre Stieftochter Elisabeth, der sie mütterlich zugetan war, an den Hof und sorgte dafür, daß sie, der schon ihre Gouvernante Katherine Cham­pernowne die ersten Kenntnisse fremder Sprachen beigebracht hatte, ei­ne gründliche Ausbildung erhielt. Mit zehn Jahren beherrschte Elisabeth Französisch und Italienisch und konnte leidlich Spanisch. Daneben wur­de sie in Musik, Poetik und Philosophie unterrichtet und mußte zu ihrem Verdruß auch handarbeiten lernen. Als sie fünfzehn war, sah ihr Tages­pensum vormittags die Lektüre des griechischen Neuen Testaments vor und die Ubersetzung von Sophokles oder Demosthenes ins Englische und zurück ins Griechische. Nachmittags las sie Livius und Cicero, Melan­chthon und andere ausgewählte Schriften zur Theologie und Politik. Ihr Erzieher Roger Ascham, ein Gelehrter aus Cambridge, schrieb an einen Straßburger Freund: «Sie spricht Italienisch und Französisch so gut wie Englisch. Sie hat mit mir oft fließend und gut Lateinisch und in geringe­rem Maße Griechisch gesprochen. Sie liebt Musik und ist in deren Aus­übung sehr geschickt. Sie kleidet sich elegant, aber nicht auffallend.»